Blogbeitrag 65
Vor gut einem Monat wurde ich Zeuge eines wunderbaren Moments im Wald. Ich lief durch den Wald, begleitet von zierlichen Schmetterlingen. Wenn sich die flatternden Schönheiten einen Ruhemoment gönnen, bietet sich die einmalige Chance, sich die bezaubernden Tiere in der Nähe anzusehen. Das Objekt meiner Begierde landete auf einem Farn und schon wollte ich die Kamera zücken. In diesem Moment erhaschte eine kecke benachbarte Brennessel meine Aufmerksamkeit durch einen verwunschenen Staubausstoss ihrer zarten Blüte. Das fragile Staubwölkchen verflüchtigte sich im Moment des Erblickens. Ganz entzückt von diesem sonnendurchfluteten Schauspiel verpasste ich den Wegflug des Schmetterlings. Viele verpassen einen Wegflug eines Schmetterlings. Aber wieviele wissen dadurch, dass es sich lohnt, einer lichtdurchfluteten Brennessel genau dieselbe zärtliche Aufmerksamkeit zu schenken als einem zauberhaften Schmetterling? Es können nicht ebenso viele sein. Google beweist es: Es gibt tausende Schmetterlingsbilder. Aber ich habe kein einziges Bild einer stäubenden Brennesselblüte gefunden. Kein Wunder. Es bleibt nicht genügend Zeit dieses spontane Spektakel zu betrachten und gleichzeitig bildlich festzuhalten. Und weisst du was, das finde ich gut so. Multitasking macht weder Sinn noch Spass (1). Dieses schöne Ablenkungsmanöver der beherzten Brennessel habe ich gerne live in Kauf genommen. Was für ein schöner Moment. Seither betrachte ich Brennesseln in einem ganz anderen Licht. Ein brennender Gedanke liess mich nach diesem Happening für den Rest des vergnüglichen Spaziergangs nicht mehr los. Weshalb schenke ich einem Schmetterling mehr Beachtung als einer Brennessel? Dankeschön, liebe Brennessel für den Anschauungsunterricht, dass wir sehr wohl unsere Bedeutung in Dinge reininterpretieren. Und dass diese stäubende Brennessel für mich vorher schlichtweg nicht exisiert hat! Danke, lieber Platon (Blog 57) und lieber Kant (Blog 73) für mögliche Erklärungsansätze für diese Phänomene. Und danke liebe Pippi Langstrumpf für den philosophisch angehauchten Ohrwurm, der mich nach dieser Erkenntnis bis vor meine Haustüre begleitete: «Ich mach mir die Welt, widewide wie sie mir gefällt». (1) Ich schreibe im Blog 43 darüber.
0 Kommentare
Antwort hinterlassen |
Kategorien
Alle
|