115. Blogbeitrag
Das Träumen ist ein faszinierendes Phänomen, das Wissenschaftler seit Jahrhunderten beschäftigt. In meinem 88. Blogbeitrag habe ich vom Phänomen berichtet, sich an Träume zu erinnern oder sie gar steuern zu können. Kürzlich kam bei einem spannenden Gespräch die Grundsatzfrage auf, weshalb wir träumen. Wie ist der Stand der Forschung dazu? Es wird dich kaum überraschen, dass es auch hierzu mehrere Theorien darüber gibt, warum wir träumen. Sigmund Freud sah Träume als einen Weg, unbewusste Wünsche und Konflikte auszudrücken. Obwohl diese Theorie in der modernen Psychologie nicht mehr so stark vertreten wird, hat sie dennoch einen grossen Einfluss auf das Verständnis von Träumen gehabt. Mittlerweile ist man einen Schritt weiter. In den letzten Jahren brachte die Traumforschung einige interessante Erkenntnisse hervor, welche ich gerne mit dir teilen möchte: Träume könnten helfen, emotionale Erlebnisse zu verarbeiten. Psychologen wie Siegel (2010) argumentieren, dass Träume eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Stress und traumatischen Erlebnissen spielen (1). Eine weitere Theorie besagt, dass Träume dazu beitragen könnten, Erinnerungen zu konsolidieren und zu festigen. Forschungen von Walker und Stickgold (2006) unterstützen die Idee, dass der REM-Schlaf, in dem die meisten Träume auftreten, entscheidend für die Gedächtnisbildung ist (2). Träume dürften auch kreative Problemlösungen fördern. Der Psychologe Deirdre Barrett (1993) hat gezeigt, dass viele Künstler und Wissenschaftler von ihren Träumen inspiriert wurden (3). Träume böten einen idealen Raum für Selbstreflexion, in dem wir über unsere Wünsche und Ängste nachdenken. Diese Idee wird von Freud (1900) in seiner Traumtheorie unterstützt, die Träume als Ausdruck unbewusster Wünsche betrachtet. Auch Carl Gustav Jung beschrieb Träume als Spiegel des Unterbewusstseins (4). Träume könnten es uns auch ermöglichen, soziale Interaktionen und Problemlösungen zu simulieren, was als eine Art "mentales Training" angesehen werden könnte (5). Diese Auswahl an Resultaten ist nicht abschliessend und die Forschung zu Träumen ist weiterhin ein aktives und faszinierendes Feld. Die drei ersten Forschungsergebnisse gefallen mir sehr gut: Ich könnte mir gut vorstellen, dass ich in meinem Träumen emotionale Erlebnisse verarbeite, diese konsolidiere und unbewusst Selbstreflexion betreibe. Vielleicht wird man es einmal ganz genau wissen. Für mich steht auch so zweifelsohne fest, dass Träumen als natürlicher Teil unseres nächtlichen Seins genau so sinnvoll sein dürfte wie unsere bewussten Gedanken. Würde es keinen Sinn ergeben oder keinem unabdingbarem Zweck dienen, dann träumten wir wohl kaum. Und das wäre doch jammerschade, findest du nicht auch? Dann wäre es vorbei mit der nächtlichen Verbrecherjagd nach Vampiren, dem Fliegen können, Einhörner reiten, haushohe Torten essen oder von einem Planeten aus in eine neue Welt eintauchen können.... Was denkst du darüber, weshalb du träumst? Du musst mir die Antwort nicht sofort geben – du kannst auch gerne in aller Ruhe erst einmal darüber schlafen :-). (1) Quelle: Siegel, J. (2010). "The Mindful Way Through Depression” (2) Quelle: Walker, M. P., & Stickgold, R. (2006). "Sleep, Memory, and Plasticity". (3) Quelle: Barrett, D. (1993). "The Committee of Sleep". (4) Quelle: Freud, S. (1900). "Die Traumdeutung". (5) Quelle: Revonsuo, A. (2000). "The reinterpretation of dreams: An evolutionary hypothesis of the function of dreaming". Bildnachweis
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